Margareta Sandhofer: ON THE OTHER SIDE (Eröffnungsrede)

Zunächst möchte ich in ein paar Worten Elisabeth Grübls Werk kurz umreißen, zur Vorstellung für diejenigen, die es noch wenig kennen, oder auch zur Erinnerung an die Vielfalt des Werks.

Elisabeth Grübl kann man als Konzeptkünstlerin bezeichnen. Der Raum ist der Ansatz, aus dem sie schöpft: aus dem architektonischen wie aus dem nicht-materiellen, dem personellen, politischen oder sozialen. Sie schafft Installationen im Innen- und Außenbereich und interveniert im öffentlichen Raum. Sie greift in bestehende Ordnungen ein und besetzt den Ort und seine Struktur mit neuem Gehalt.

Elisabeth bringt die unterschiedlichsten Materialien zur Anwendung. Sie arbeitet skulptural, mit Fotografie, Video und Sound, und weitet den Begriff der bildenden Kunst.
Ihr Sound ist manches Mal unterschwellig, manches Mal durchdringend – und niemals eindeutig. Wie in ihren Rauminstallationen, Videos und skulpturalen Interventionen spielen auch in den Sound-Arbeiten Wahrnehmung und Interpretation eine zentrale Rolle. Allerdings stehen diese beiden Begriffe Wahrnehmung und Interpretation in einem dynamischen Netz von Wechselwirkungen, in dem körperliches und geistiges Bewusstsein und deren Bedingtheiten auch noch mitspielen.

Ein paar signifikante Beispiele aus ihrem Oeuvre möchte ich nennen:
Sie schafft Textobjekte aus Begriffspaaren wie „Go to the left – go to the right” oder „Inside – Outside“. Sie übersetzt Begriffe mit diametral entgegengesetzter Bedeutung in Material und lässt sie einander überlappen, sodass deren Bedeutung aufgehoben wird. Die sich überlagernden Letter sind mit doppelbödigem Sinn unterlegt und sollen das Publikum aus dem Alltag in einen Raum des Nachdenkens über das eigene Handeln versetzen.
Gemeinsam mit Sabine Heine intervenierte sie an der Schrift am Schaufenster eines hippen Designladens nicht fern von hier, im 7. Bezirk: In einer Nacht- und Nebelaktion mutierten die am Fenster aufgeklebten Letter „Be a good girl“ zu „Be a bad girl“. Es war Ausdruck einer Sozialkritik an zugeordneten Rollenklischees, wie sie beispielsweise an jener prominenten Fassade im öffentlichen Raum propagiert werden. Zwei Wochen hielt der Eingriff stand, bevor der ganze Schriftzug verschwand.

Solche Text-Objekte wie „it is – it is not“ oder „presence – absence“, montiert Elisabeth Grübl auch in Fotografien von architektonischen Szenerien, womit sich der ganze Zusammenhang zu noch komplexeren Situationen wandelt.

Es ist ein Diskurs der Gegensätze, der das Werk Elisabeth Grübls wie ein roter Faden durchzieht, sei es in den genannten Verdichtungen oder in ihren Text-Arbeiten, und genauso in ihren Sound-Objekten:
Schon in ihrer Diplomarbeit auf der Akademie der bildenden Künste, wo sie bei Bruno Gironcoli studierte, war Sound in ihre Arbeit integriert. Es war die Rauminstallation mit dem Titel „10.000 Hz“, für die sie den Boden des Ausstellungsraums mit rotem Teppich auslegte, ihn mit einer Glasscheibe verschloss, sodass er zwar einsehbar, aber nicht betretbar war, und im Inneren mit einem 10.000 Hz Sinuston hochfrequent beschallte. Die rote Farbe und der extrem hohe Ton korrespondierten, intensivierten und kommentierten sich gegenseitig.

Es ging also um den Dialog und den Kontext, der zur Wahrnehmung eines Werks immer Bedingung ist. Und es ging um das Abgrenzen und Ausschließen im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn. Denn die Voraussetzung für eine reflektierende Wahrnehmung war die Distanz zum Werk.

Genau dieser Kontext kommt auch in der gegenwärtigen Arbeit mit dem Titel „ON THE OTHER SIDE“ zum Tragen.
Elisabeth Grübl hat die ehemalige Telefonzelle mit einem hohen Quader aus Pyramidenschaumstoff nahezu zur Gänze ausgefüllt und ein Soundequipment integriert. Aus seinem Inneren dringt ein Sound, den die Künstlerin selbst digital erzeugt hat. Die Telefonzelle ist zur klingenden Soundskulptur transformiert.
Üblicherweise wird Pyramidenschaumstoff verwendet um Schall zu dämmen bzw. zu isolieren. Doch da die Pyramiden nach außen ragen, tönt der Sound durch den Schaumstoff und die gläsernen Wände bis zu uns. Im Gegenzug können Geräusche von außen nicht nach innen dringen.

Dieser eigenartige eingesperrte Quader hat etwas Abstraktes. Es teilt sich uns akustisch über die Grenzen von Schaumstoff und Glasscheiben mit: ungewohnte Klänge, die sich rauschend und hintergründig schwingend steigern. Anschwellend in seiner Intensität schraubt sich der Sound gleichsam im Loop in die Höhe. Die Diskrepanz zwischen dem abhebenden Sound und dessen starrer materieller Hülle setzt unwillkürlich eine unbehagliche Spannung frei, aufreibend in drakonischer Intensität.

Es sind Töne und Klänge, die Elisabeth Grübl mit elektronischem Keybord und Drum-Computer produziert und intuitiv manipuliert hat, zu einer nicht-melodischen dichten Komposition, die jede traditionelle und konzeptuelle Kompositionsweise negiert und sich hochenergetisch und solipsistisch behauptet.

Die Kunstzelle ist ganz offensichtlich eine ehemalige Telefonzelle. Sie war ein öffentlich zugänglicher Raum, der in seiner Geschlossenheit eine intime Atmosphäre vermittelte und die akustische Kommunikation nach außen in die Ferne ermöglichte. Auf der anderen Seite hatte die telefonierende Person in der näheren Umgebung durch die Glasscheiben eine hauptsächlich optische Präsenz. Mimik und Gebärden waren zumindest fragmentiert erkennbar. Die Präsenz zerfiel in zwei Teile, war gespalten: In der Nähe war es eine optische, in der Ferne eine akustische.

Nun ist die ehemalige Funktion der Telefonzelle invertiert. Sie ist sichtlich besetzt, und zwar von einem abstrakten Objekt, absolut unzugänglich und das auf Dauer. Wir sehen ein farbloses Abstraktum und hören eigenartige Töne aus seinem Inneren. Alles an der Situation ist falsch, so falsch herum wie der Pyramidenschaumstoff quasi verkehrt montiert ist. Die Ordnung ist auf den Kopf gestellt. Und das unverrückbar, wir stehen vor einem hermetisch abgeschlossenen Raum an den Grenzen unserer Macht auf das Geschehen einzuwirken.
Das da drinnen ist durch den Pyramidenschaumstoff von der Umwelt abgekapselt, vermag quasi nur Selbstgespräche zu führen. Und macht das in einem permanenten Loop. Die Einseitigkeit dieser Kommunikation ist radikal zugespitzt: zu einer abstrakten Situation, die zu denken geben kann: über Raum, über Grenzen und deren Durchlässigkeit, über Wahrnehmung und Kommunikation, und über Interpretation.

Elisabeth Grübl macht in dieser Arbeit in hoher Präzision etwas sichtbar und hörbar. Zugleich entzieht sie dieses aber einer unmittelbaren Zugänglichkeit und Überprüfbarkeit. Es sind zwei Momente die einander verstärken und präzisieren. Der Titel „ON THE OTHER SIDE“ gibt das Seine noch dazu, er definiert und intensiviert die Verzwicktheit der Situation.

Ich danke für die Aufmerksamkeit!.